Familie Liebknecht zu Besuch in Leipzig

Volker Külow

Die Liebknechts haben deutsche Geschichte geschrieben. Zugleich wurden sie wie nur wenige Familien von den Wirren der Zeit und diversen Schicksalsschlägen gezeichnet, von denen die Ermordung Karl Liebknechts - zusammen mit Rosa Luxemburgs - am 15. Januar 1919 der tragischste war. Nur wenige Wochen vor dem 100. Jahrestag des folgenreichsten politischen Doppelmordes des 20. Jahrhunderts besuchten am ersten Dezembertag auf Einladung der Leipziger LINKEN die beiden Enkeltöchter Maja und Marianne Liebknecht Leipzig. Am Vorabend hatten sie an der Ausstellungseröffnung im Berliner Käthe-Kollwitz-Museum zum Frühwerk des Malers Robert Liebknecht teilgenommen hatten. Die beiden älteren Damen waren schon 2003 zusammen in der Messestadt gewesen. Diesmal kamen sie aber nicht allein, sondern hatten sieben Angehörige der beiden nächsten Generationen "als Verstärkung" mitgebracht.

In ihrem Gepäck befanden sich auch zwei wertvolle Leihgaben für eine kleine Sonderausstellung des Stadtgeschichtliche Museums über den Großvater, die im Januar 2019 eröffnet werden soll. Da ist zum einen das berühmte Porträt Karl Liebknechts, das der jüngere Liebknechtsohn Robert - Vater von Marianne - im Jahr 1930 in zwei Fassungen malte. Fast sensationell ist zum anderen die kleine Schreibtafel aus Elfenbein, die noch einen handschriftlichen Einkaufszettel von Karl Liebknecht enthält. Beide Exponate werden gewiss auf reges Interesse stoßen.

Nach einem launigen Fußmarsch der 11 "Liebknechts" durch die Karl-Liebknecht-Straße, die von den Leipzigern liebevoll "Karli" genannt wird, fand im rappelvollen Geburtshaus von Karl Liebknecht in der Braustraße 15 eine Geschichtsstunde der besonderen Art statt. Unter großer Anteilnahme des Publikums berichteten die beiden Enkeltöchter aus ihrem bewegten Leben. "Die Ermordung meines Großvaters war eine Tragödie für die Welt" sagte Marianne Liebknecht zu Beginn der Gesprächsrunde: "Weil er einen weiteren Krieg verhindern wollte." "Mein Vater hat den Mord nie verkraftet", ergänzte Maja Liebknecht, die Tochter des ältesten der drei Liebknechtkinder und benennt damit ein bis heute nachwirkendes Familientrauma. Ihr Vater Wilhelm, genannt "Helmi", ging 1928 in die Sowjetunion und wohl nur sein berühmter Nachnahme rettete ihn vor stalinistischen Repressalien. Seine 1932 in Moskau geborene Tochter Maja zog in den 1960er Jahren in die DDR, um als Dolmetscherin zu arbeiten; noch heute ist der russische Akzent unverkennbar.

Ihre 77jährige Cousine Marianne redet hingegen im feinsten Wienerischen Dialekt. Mit ihren Eltern Robert und Hertha floh sie 1943 als Zweijährige von Paris in die Schweiz und ging nach Kriegsende in Frankreich in die Schule; später verschlug es sie nach Österreich. Sie arbeitete jahrzehntelang als Tänzerin und Architektin und ist auch heute noch künstlerisch sehr aktiv.

Zum Schluss des bewegenden Nachmittags signierten die beiden Liebknechtenkelinnen mit Engelsgeduld dutzende Exemplare der jüngst erschienenen Nummer 15 der Rosa-Luxemburg-Forschungshefte aus der Feder von Annelies Laschitza, die unter dem Titel "Karl Liebknecht: Advokat und Parlamentarier mit Chairsma" dieser Tage erschienen ist. Nach einer Autogrammstunde im wahrsten Sinne des Wortes ging es am Ende eines denkwürdigen Tages, der allen Beteiligten noch lange in Erinnerung bleiben wird, mit dem Zug zurück nach Berlin.